Die TSF-Schachabteilung lädt ein zu einer Entdeckungsreise in die Schachwelt

Wie sollte es auch anders sein? Welcher Lebensbereich ist nicht betroffen von der Pandemie und den damit verbundenen Auswirkungen? Wie und warum sollte die „Schachwelt“ davon verschont bleiben? – Sie ist es nicht geblieben: Ob auf Weltklasse-Niveau, wo der Kampf darum, wer Weltmeister Magnus Carlsen im nächsten Titelkampf herausfordern darf, auf halber Strecke unterbrochen wurde, auf Verbandsebene, wo im März der Spielbetrieb ebenso eingestellt werden musste wie in dem bescheidenen Rahmen der TSF-Schachabteilung. Seitdem finden keine Mannschaftskämpfe mehr statt, keine Vereinsturniere, Spielabende und keine Jugendschachstunden.

Nach den ersten Wochen der Ratlosigkeit darüber und vielleicht sogar der Neugier darauf, wie das allgemeine Leben unter den völlig neuen Bedingungen zu organisieren sei und wie sich der Einzelne allein und in Gemeinschaft zu Recht finden werde, keimten erste zarte Gedanken darüber, ob und, wenn ja, wie unter den neuartigen Gegebenheiten das Schachspiel gepflegt werden könnte. Die einfallsreiche Schach-Community bemerkte sehr schnell, dass sie im Grunde bereits über die dafür nötigen Mittel und Wege verfügt: Zahlreiche Plattformen bieten längst im worldwideweb die Möglichkeit, sich vom heimischen Refugium aus mit Schachspielern in allen Winkeln der Erde zu einer Partie zu treffen. Und so bedurfte es nur noch einiger rühriger Organisatoren, um den etwas anarchischen und etwas unreflektierten Spieltrieb der in ihrem geliebten Tun so schnöde unterbrochenen Schachspieler in geordnete Bahnen zu lenken.

Mittlerweile „brummt“ es „im Netz“: Nicht nur die Weltklasse organisiert Online-Turniere, auch die Welzheimer Schachspieler haben einen TSF-Ableger auf lichess.org gegründet und finden sich dort an ein oder zwei Abenden in der Woche zu spielerischem Tun und Austausch, wenn auch derzeit noch mit überschaubarer Teilnehmerzahl, zusammen. So auch vor kurzem zu einem Mannschaftswettkampf im Blitzschach, den der Schachverein Murrhardt ins Leben gerufen hatte und an dem mehrere Teams aus dem Rems-Murr-Kreis teilnahmen. Außerdem soll demnächst sogar eine „Schach-Online-Liga“, organisiert vom Schachverband, ihren Spielbetrieb aufnehmen. Vierermannschaften werden dann zwischen Ende Juni und Anfang September 2020 zunächst in einigermaßen gleich stark besetzten Gruppen über mehrere Runden ihre Sieger suchen. Diese kämpfen dann in Viertel- und Halbfinale um den Einzug ins Finale. Der Sieger dort darf sich schon jetzt über einen repräsentativen Pokal freuen. – Nun ja, in die Verlegenheit, dafür einen Stellplatz finden zu müssen, werden die TSF-Kämpfer eher nicht kommen, aber – „dabei sein ist alles!“ – in diesen besonderen Wettkampf reinzuschnuppern, wäre auf jeden Fall reizvoll.

Und dennoch: Wie vieles, so ist Schach eben nicht nur ein eher mechanisches, wechselseitiges Ziehen bunter Figuren auf einem schwarz-weißkarierten Brett. Das Schachspielen hat eben auch eine soziale Dimension. Wen wundert’s? - Denn so wie ein Telefongespräch mit der isoliert lebenden Oma nicht dasselbe ist wie ein Besuch bei ihr zu Hause, so wird das Fehlen eines direkten Gegenüber in einer Schachpartie durchaus als eine Art „Leerstelle“ empfunden.

Und so wie die allgemeine Gesellschaft auf der Suche ist, wie mehr oder weniger „Normalität“ erreicht werden kann, so beschäftigt sich u.a. der Württembergische Schachverband intensiv damit, wie vielleicht und unter welchen Umständen ein geordneter Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Oder ob die Saison vollends abgebrochen werden soll oder sogar muss. Darüber wird in den zuständigen Gremien viel nachgedacht, es werden Umfragen zur Stimmungslage der Mitglieder durchgeführt und Mediziner werden danach befragt, welche Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden sollten und müssten, um die Gesundheit der Spieler nicht zu gefährden. - Ende offen…

Jetzt sind Sie am Zug!

Vielleicht ist keine Zeit besser dafür geeignet als die gegenwärtigen Tage, die so seltsam langsam zu vergehen scheinen, in denen so vieles still steht, in denen die gewohnten Abläufe und eingeprägten Rituale so gehörig durcheinander gebracht worden sind, um vielleicht nach längerer Zeit wieder einmal das Schachbrett hervorzuholen und ein paar Kleinodien der Schachkunst zu genießen, sich – ganz frei nach Kant – dabei seines eigenen Verstandes zu bedienen und, wie es der Stuttgarter  Mathematiker und Schachspieler Christian Hesse ausdrückte, einzutauchen in „ein ganzes Königreich voller Ideen, Emotionen, Imaginationen“.

Und selbst wenn es nicht gelingt, das Problem eigenständig zu lösen, und man schließlich auf die angebotene Lösung zurückgreift – es sind diese „Einblicke“, die begeistern können.

Das Schachtier, defensiv – man beachte die zögerliche Haltung und den eingerollten Schwanz…

Wohlan denn, nur Mut! - Wir fangen mit einer übersichtlichen Stellung an, steigern den Schwierigkeitsgrad, um schließlich bei einem Problem zu enden, das bei den Lösungsversuchen, so wird behauptet, nicht nur zahlreiche engagierte Rätselfreunde, sondern sogar den damaligen Weltmeister Kasparow dem Irrsinn einen Schritt näher gebracht haben soll…

Aufgabe 1

Hier sind gleich zwei Aufgaben zu lösen. Einmal hat Weiß den 1. Zug, ein anderes Mal Schwarz. Wie setzen sie jeweils matt?

Aufgabe 2

Zugegeben, diese Aufgabe ist konstruiert, also nicht dem wahren Schachleben entsprungen. Dennoch nicht weniger reizvoll. Wie löst Weiß (am Zug) dieses Problem zu seinem Vorteil?

Aufgabe 3

In der vorliegenden Stellung ist Schwarz am Zug. Die Sachlage erscheint eindeutig: Der weiße Turm e1 bedroht die schwarze Dame auf e7. Also ist es ratsam, dagegen etwas zu unternehmen und die Drohung aufzuheben. Genau dies tat Schwarz und zog seine Dame: 1. …Db4. – Warum fällt dieser Zug dennoch unter die Rubrik „Schnapsidee“?

Aufgabe 4

Es sieht nicht gut aus für Weiß! Zwar könnte die Dame den schwarzen Springer auf der vorletzten Reihe, auf d7, schlagen und so das materielle Gleichgewicht einigermaßen wiederherstellen, aber der schwarze Springer auf d5 droht die Diagonale a8-h1 frei zu geben – mit höchst unangenehmen Folgen für den weißen König. Was also tun? – Weiß versuchte 1. Lh5 mit der Absicht, die schwarze Dame von der gefährlichen Diagonale zu vertreiben. Mit Erfolg?

Aufgabe 5

Das letzte Diagramm zeigt eine fast schon legendäre Stellung aus dem Weihnachtspuzzle Chessbase 1999. Nur zwei Hinweise unterstützten damals die Suche der Wissbegierigen: Weiß beginnt mit 1. e4 und Schwarz setzt in 5 Zügen matt. Ein zusätzlicher Hinweis sei erlaubt: Alle Züge sind regelgerecht, wenngleich nicht unbedingt hilfreich, dem dargestellten Matt in 5 Zügen zu entgehen.

Wie ist der Partieverlauf? – Da hilft kein Computer…

Lösungen

Weiß gewinnt mit 1. Td8 matt. Schwarz setzt mit 1. … Tf2 matt.

Paul Morphy, der legendäre amerikanische Schachmeister des 19. Jhts., hat diese Aufgabe konstruiert. Die Lösung lautet:

  1. Ta6      bxa6
  2. b7 matt.

Sollte Schwarz den Turm nicht schlagen, sondern ein Läuferzug ausführen, setzt 2. Txa7 matt.

Der Zug 1. … Db4?? führt Schwarz geradewegs ins Verderben:

2. Dxd7+  Txd7

3. Te8+    Td8

4. Txd8 matt.

Dieser Fehlzug der besonderen Art unterlief nicht etwa einem Spieler aus den unteren Amateur-Spielklassen, sondern einem leibhaftigen Weltmeister: Alexander Aljechin in seiner Partie gegen Paul Keres, Margate 1937. Womit sich einmal mehr zeigt, dass auch Weltmeister nicht gegen Versehen der gröberen Art gefeit sind.

Doch bevor der Übermut des Schachamateurs allzu sehr ins Kraut zu schießen droht, sei wieder einmal an die altbekannte Erkenntnis des Schachmeisters Fritz Sämisch erinnert: „Kleine Schachspieler machen Mist, und große Schachspieler machen Mist, aber große machen weniger Mist.“

Utjuganow-Konowalow, Krasnodar 1950.

Schwarz verzichtet darauf, den Läufer zu schlagen und opfert stattdessen seine Dame mit durchschlagendem Erfolg:

  1. Lh5      Dg2+!!
  2. Kxg2    Sf4+ versperrt das Fluchtfeld h3.
  3. Kg1      Sh3 matt.

Die Partei verlief wie folgt:

  1. e4        Sf6
  2. De2      Sxe4
  3. f3         Sg3
  4. Dxe7+  Dxe7+
  5. Kf2      Sxh1 matt.